Prägend bis heute

Text: Manuel Huber / Bilder: Pius Amrein, 3 Min. Lesezeit
Prägend bis heute

1950 gründeten drei ehemalige Angestellte der Firma Schindler die Firma SPB. Vier Jahre später folgte der Zusammenschluss mit der Flug- und Fahrzeugwerke AG Altenrhein. Das neu gegründete Unternehmen hiess Aufzüge AG Schaffhausen, denn der Ursprung des Unternehmens lag in der Stadt Schaffhausen, erzählt Historiker Matthias Wipf: «Die Firma startete mit wenigen Mitarbeitenden an der Stimmerstrasse. Da im Quartier kein Liftturm gebaut werden durfte, zog die Firma kurze Zeit später aus Schaffhausen weg.» Fündig wurde das junge Unternehmen rund fünf Kilometer entfernt auf der anderen Seite des Rheins: in Schlatt im Kanton Thurgau, direkt an der Grenze zum Kanton Zürich. Hier entstand 1955 das Werk Schlatt. Das Unternehmen florierte und wuchs. «Mit über 300 Angestellten war die Aufzüge AG Schaffhausen in ihrer Blütezeit einer der grössten Arbeitgeber der Region», so Matthias Wipf weiter, der selbst aus Schaffhausen stammt.

Symbol der Leistungsfähigkeit

Im Werk Schlatt konnte die Aufzüge AG Schaffhausen schliesslich einen 45 Meter hohen Liftturm aus Beton bauen. Kaum stand der Turm, wurde er als Wahrzeichen und Symbol der Leistungsfähigkeit des Unternehmens gefeiert. Zu Recht: Im Werk wurde einer der modernsten und schnellsten Aufzüge der Schweiz mit einer Geschwindigkeit von 2,5 Meter pro Sekunde gebaut. Der Liftturm war nötig, um die im Haus entwickelten Aufzüge zu testen und zur Einsatzreife zu bringen. «Wir haben darin alles getestet», erinnert sich Rudolf Feser. «Dazu gehörten Steuerungen, Getriebe und Fangvorrichtungen.» Der heute 70-Jährige absolvierte von 1969 bis 1973 im Werk Schlatt die Lehre als Konstruktionsschlosser und hat den Liftturm in Betrieb erlebt. «Danach zog es mich in den Aussendienst. Ich war lieber draussen.» Es folgten 10 Jahre auf Montage, anschliessend war Rudolf Feser bis zu seiner Pensionierung 2019 als Servicemonteur unterwegs.

Gefunkt hat es später

Auch seine Frau Heidi Feser-Benz kennt das Werk Schlatt aus eigener Erfahrung – als Lehrtochter im kaufmännischen Bereich. «Das war eine schöne Zeit», erinnert sich die heute 68-jährige Thurgauerin, vor allem auch deshalb, weil das Unternehmen Skilager in den Flumserbergen für die Lehrlinge organisierte. «Dass wir vom Büro zusammen mit den Stiften der Werkstatt ins Lager durften, fanden wir im Alter von 16 Jahren natürlich grossartig.» Übrigens: Gefunkt hat es zwischen Heidi und Rudolf Feser erst später. «Im Werk Schlatt waren wir einfach Lehrtochter und Lehrling», erzählen die beiden.

S wie Schaffhausen

In den 1970er-Jahren wurde die Aufzüge AG Schaffhausen eine Tochtergesellschaft von Schindler. Im Jahr 1998 folgte schliesslich der Zusammenschluss von Aufzüge AG Schaffhausen mit der Gebauer AG, der H. Schweizer Aufzüge AG und der Segulift SA. Daraus entsteht die AS Aufzüge AG. A steht für Aufzüge, S für Schaffhausen. Die zwei Buchstaben «AS» erinnern somit bis heute an die Anfänge der Aufzugsproduktion in der Stadt Schaffhausen. Rudolf Feser hat den Zusammenschluss zur AS Aufzüge AG miterlebt. «Für mich hat sich aber nichts geändert», sagt er. «Wir hatten weiterhin einen tollen Arbeitgeber und ein lässiges Team.» Beim Zusammenschluss war auch sein ehemaliger Arbeitskollege Kurt Signer dabei. Er kam 1980 zur Aufzüge AG Schaffhausen, arbeitete danach 20 Jahre lang auf Montage und ist heute – kurz vor der Pensionierung – als Feldtechniker im Einsatz. «Als ich damals als Monteuranwärter anfing, war der Liftturm bereits nicht mehr gross in Betrieb», erinnert sich Kurt Signer. «In den Anfängen hat die Aufzüge AG Schaffhausen die Lifte in Schlatt selbst hergestellt und vor Ort getestet. Das Volumen hat aber stets abgenommen, so dass es den Liftturm für Tests kaum mehr brauchte.»

Als wertvoll eingestuft

In den letzten Betriebsjahren des Werks Schlatt lag der Fokus auf der Produktion von Kleingüteraufzügen. 2001 wurde die Liftproduktion in Schlatt schliesslich einstellt. Seit 2002 sind in den ehemaligen Produktionshallen verschiedene Gewerbebetriebe eingemietet. Und der Liftturm? 2011 kam
die Idee auf, den Lift wieder in Betrieb zu nehmen und auf der Turmspitze ein kleines Café einzurichten. Doch daraus wurde nichts, weil die Platzverhältnisse zu knapp sind. So steht der Liftturm zwar noch immer, genutzt wird er aber nicht. Pläne für einen Abriss gibt es keine. Da er als ein industrieund baugeschichtlich bedeutendes Bauwerk gilt, stuft ihn die Denkmalpflege des Kantons Thurgau als «wertvoll» ein. Der Schutzentscheid ist pendent. So bleibt der Liftturm vorerst, was er ist: ein Stück Industriegeschichte, einzigartig und markant, prägend für die Landschaft und voller Erinnerungen für all jene, die darin geschraubt, getestet und bei Erfolg gejubelt haben.

«Wir hatten weiterhin einen tollen Arbeitgeber und ein lässiges Team.»
Rudolf Feser, ehemaliger AS-Angestellter

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