Lift ohne Seil beim Seilhersteller!

Text: Roland Eggspühler Foto: Markus Beyeler, 3 Min. Lesezeit
Lift ohne Seil beim Seilhersteller!

Seit über 100 Jahren produziert die Jakob AG Drahtseile. An der Technologie hat sich im Grundsatz sehr wenig verändert, die altbewährten Produktionsmaschinen verrichten ihren Dienst seit Jahrzehnten. Sie sind älter als die kurz vor der Pensionierung stehenden Jakob-Mitarbeitenden. «Als wir diesen Gebäudeteil 2018/19 erneuerten, liessen wir das Erdgeschoss und die dortigen Maschinen unberührt und verpackten alles in einem Bauprovisorium. Während darin die Produktion weiterlief, entstand drumherum der Ersatzneubau», blickt COO Emanuel Jakob zurück. Ganz anders war die Situation rund um die jüngste bauliche Erweiterung, die im direkten Anschluss an die bestehende Gebäudesubstanz quasi «auf der grünen Wiese» geplant werden konnte. Der dazugekommene Gebäudeteil bildet das neue Zuhause für die 2016 als Tochtergesellschafft übernommene und seit 2022 in die Jakob AG integrierte Habegger Maschinenfabrik AG aus Thun. Diese ist seit Jahrzehnten auf Seilzüge spezialisiert und ergänzt damit das Kerngeschäft der Jakob AG perfekt.

Effizienz durch Platz

Das Herzstück einer Habegger-Seilzugmaschine ist, stark vereinfacht erklärt, ein dreidimensionales Puzzle mit mehreren Dutzend Teilen unterschiedlichster Bauart und Herkunft. Die meisten Komponenten produziert die Jakob AG selber, einzelne werden von externen Produzenten angeliefert. Die hohe Kunst ist – speziell in Zeiten von Lieferverzögerungen und Materialengpässen – alle Teile immer in ausreichender Stückzahl griffbereit zu haben, wenn die Produktion der nächsten Geräteserie ansteht. Dazu braucht es eine topmoderne Logistik und grosszügig dimensionierte Lagerflächen. Denn Effizienz entsteht auch durch genügend Platz.

Vier Etagen vertikal verbunden

Der auf sieben Tonnen Nutzlast dimensionierte Warenlift aus dem Werk der AS-Tochter Boltshauser schafft in der neuen Habegger-Welt die vertikale Verbindung der vier Etagen über eine Förderhöhe von 12.57 Metern. Inhouse erstellte Seilzugteile gehen mit diesem Warenlift aus einem der Produktionsgeschosse ins Lager im Untergeschoss, von externen Produzenten angelieferte Komponenten werden vom Camion über die Liftaussentüre direkt in die sechs Meter lange und drei Meter breite Kabine verfrachtet und dann ebenfalls im Untergeschoss eingelagert. In der Regel enthält jedes Teil in einem Gesamtgewicht von cirka einer Tonne, pro Liftfahrt kommen meist bis zu sechs Paletten zusammen. «Für uns ist entscheidend, dass wir erstens möglichst viele Paletten aufs Mal und zweitens in einem ordentlichen Tempo transportieren können», erklärt Emanuel Jakob, was aus seiner Sicht Effizienz bedeutet: «Der Stapler sowie sein Fahrer fahren immer mit. Das trägt ebenfalls zu einer hohen Effizienz in unseren Arbeitsabläufen bei.»

Enorme Energiespitzen

Unter diesen Rahmenbedingungen konnte im Werk des Seilproduzenten nicht ein Standardlift eingebaut werden, in welchem Seilzüge für die vertikale Bewegung der Kabine sorgen. «Angesichts der Lasten von bis zu sieben Tonnen und der gewünschten Fahrgeschwindigkeit brauchte es einen hydraulischen Lift. Ein elektromechanischer Lift kam auch wegen des übers Dach reichenden Schachtkopfs nicht infrage», skizziert Beat Leu, Verkauf Neuanlagen AS, die technischen Dimensionen der Anlage, die mit 70 Zentimetern pro Sekunde auf- oder abwärtsfährt: «Ein Warenaufzug mit einer derartigen Nutzlast stellt auch an das Gebäude grosse Anforderungen. So war in der Schachtgrube eine verstärkte Fundierung notwendig, denn es wirken Kräfte von bis zu 160’000 Newton.» Das jakobsche Logistikkonzept hat zur Folge, dass der Aufzug eher selten im Einsatz steht. Aber wenn er fährt, dann meist voll beladen. Der Anlaufstrom liegt bei enormen 340 Ampère. Klar, dass die bestehende Stromversorgung der Jakob AG für die neuen Anforderungen nicht ausreichte. Das Elektrizitätswerk erstellte deshalb eine Spezialleitung für den zusätzlichen Lift. Ein schlechtes Gewissen hat Emanuel Jakob deswegen nicht: «Alles in allem betrachtet, ist der Strombedarf dieses Lifts eine Randposition, auch wenn er für eine Fahrt tatsächlich sehr viel Energie benötigt. Doch es ist unter dem Strich energieeffizienter, pro Fahrt etwas mehr Strom zu verbrauchen, aber dafür mit viel weniger Fahrten auszukommen. Zudem haben wir auf dem Dach unserer Werkhallen eine sehr grosse Solaranlage installiert, und wir produzieren zwei Drittel des für unseren Betrieb benötigten Stroms selber. Darauf sind wir echt stolz!»

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